Das Idyll gerät ins Wanken

8. Januar 2023 | Von | Kategorie: Rezensionen

Rezension von ………………….. Hermine Touschek

Spielraum Gaspoltshofen wagt sich nach mehrjähriger Pause an einen Literaturklassiker von Henrik Ibsen: Nora (Ein Puppenheim). Für die Regie und Gesamtleitung verantwortlich zeichnet Ottilie Klinger.

Nora (Astrid Mittermayr) ist seit Jahren mit Torvald Helmer (Christian Selinger) verheiratet, der gerade zum Leiter der Bankfiliale ernannt wurde. Die Welt scheint perfekt – zwei Kinder, keine finanziellen Sorgen – die Rollen sind klassisch verteilt. Torvald hält seine Frau für ein unselbständiges, leichtsinniges Wesen und Nora verhält sich auch so, wie es ihm gefällt. Im Zuge der Weihnachtsvorbereitungen beginnt die heile Welt zu bröckeln. Nora gesteht ihrer Freundin Kristine (Kathrin Russel), dass sie vor Jahren eine Unterschrift gefälscht hat, um ihrem Mann eine lebensrettende Behandlung zu ermöglichen. Das Geld stammte von Nils Krogstad (Thomas Mayrhuber). Dieser erpresst Nora, damit sie ihren Mann beeinflusst, der ihn entlassen will. Torvald Helmer lässt sich darauf nicht ein. Krogstad droht, diese Lebenslüge platzen zu lassen. Die Wahrheit wird zum unlösbaren Dilemma…

Das Stück hatte seine Uraufführung 1879 in Kopenhagen. Die deutsche Erstaufführung fand 1880 in Hamburg statt. Für diese Aufführungen musste mit Rücksicht auf die zeitgenössische Sicht der Institution Ehe der Schluss verändert werden. Vorgesehen war, dass Nora schließlich Helmer und die Kinder verlässt. In diesen Aufführungen jedoch blieb Nora der Kinder wegen.
Zur damaligen Zeit wurde Nora als „‚Frauen-Emanzipations“-Stück verstanden. In erster Linie ist es aber ein Stück, das Kritik an einer Gesellschaft übt, die keine Mittel hat gegen die Hilflosigkeit menschlichen Umgangs miteinander. Eine gnadenlose Sicht auf gesellschaftliche Zwänge, erfolgreiche Vertuschungen und scheinbar hohe moralische Werte  – und deswegen auch immer aktuell.

Astrid Mittermayr entwickelt ihre Rolle der Nora gekonnt vom verspielten, unbekümmerten Püppchen zur selbstbestimmten, nachdenklichen Frau, die zunehmend nach Unabhängigkeit strebt. Sie setzt ihre weiblichen Verführungskünste anfangs sehr bewusst und gekonnt ein und erkennt bald, dass ihr Gerechtigkeitsempfinden und die Urteile der anderen auseinanderklaffen. Sie hofft bis zum Schluss, ihr Mann würde sich hinter sie stellen. Diesem geht es aber nur um sein eigenes Ansehen, darum, was die Leute denken würden. Deswegen sieht sie keinen anderen Ausweg mehr und verlässt Mann und Kinder.
Chrstian Selinger gibt seinem Torvald eine höchst unsympathische Selbstgerechtigkeit. Er hält seine Frau nicht nur durch seine Kosenamen klein. Das „Eichhörnchen“ und „Singvögelchen“ betrachtet er als seinen Besitz. Er steuert und beherrscht sie mit harter Hand.
Kathrin Russell als Freundin Kristine erkennt schnell, in welchem Käfig Nora gefangen ist. Sie muss den Spagat finden, ihr zu helfen und ihr eigenes Überleben zu sichern.
Krogstad – Thomas Mayrhuber – der den Schuldschein für die Erpressung in Händen hält, ist auch nur ein Häufchen Elend. Er findet letztlich einen Weg zu seinem Glück und möchte den Beweis für die Fälschung verschwinden lassen – aber das Verhängnis lässt sich nicht mehr aufhalten.
Fred Malzer als Dr. Rank ist Nora schon lange in Liebe zugetan –  ein sehnsüchtiger und auf sein Leiden fixierter Mann. Er kann Nora nur ein Gesprächspartner sein.

Die Inszenierung von Ottilie Klinger wird immer dichter und eindringlicher und das Publikum ist in diesem Krimi gefangen. Der Spannungsbogen wechselt mit Nora von Unbefangenheit und Angst zu aufkeimender Zuversicht und letztlicher Ausweglosigkeit – von früherer Hingabe und Aufopferung zu bahnbrechender Selbstachtung.

Amateurtheater auf höchstem Niveau! Gaspoltshofen ist immer einen Besuch wert.

Noch zu sehen am:
13.1.; 14.1.; jeweils um 18.30
15.1. um 15 Uhr
https://www.spielraum.at/overview

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