Wenn Mammon das Menschsein korrumpiert

30. Oktober 2023 | Von | Kategorie: Rezensionen

Rezension von Bernhard Paumann – Foto: Theatergruppe Helfenberg ……..

Zwei Handlungsstränge werden in der Tragikomödie „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt verknüpft: der Abfall einer verlotterten Kleinstadt Güllen von moralischen Konventionen unter dem Zugriff der Macht und der Verführung des Geldes, denen die BewohnerInnen erliegen, und der Geschichte eines Schuldigen, der allmählich zur Einsicht gelangt und sich unterwirft.

Das Theater Helfenberg in der bewährten Regie von Günther Wolkerstorfer inszeniert dieses tragische Geschehen in einer äußerst kargen Bühne (Hermann Eckerstorfer) mit schwarzen Stellwänden, die das letale Geschehen schon vorwegnehmen. Dennoch lindern komödiantische Brüche, auch wenn sie durch die beiden blinden Eunuchen Koby (Stefan Fölser) und Loby (Pauli Madlmayr), die berührend durch das Set taumeln, sowie die beiden Sänftenträger (Manfred Karlsböck, Günther Wolkersdorfer) mit Panzerknackermasken und rustikalen Anfeuerungen, den schwarzen Fluss der Handlung.

Sylvia Wondraschek ist Claire Zachanassian, die große Liebende und dennoch zu Tode Verletzte, die mit ihrem absoluten Willen zur Gerechtigkeit die Handlung forttreibt und sie dennoch um der alten Liebe willen anhalten will. In ihrem Gehabe streiten sich Durchsetzungskraft, Rache, Liebe und Verletzlichkeit und jede Phase kommt spürbar über die Rampe. Ihr zur Seite eine präsente Person, der Butler (Dominik Revertera), der einerseits einen umsichtigen Pfleger und andererseits einen bulligen Security verkörpert. Der komödiantische Widerpart sind die drei Gatten der Milliardärin, in Szene gesetzt durch Tobias Wolfmayr.

Werner Keplinger ist Alfred Ill, anfangs vielleicht etwas blass, der sich aber im Laufe des Geschehens in ein Wrack von Hoffnungslosigkeit, Selbstzweifeln und stiller Resignation entwickelt. Kurzes Aufflackern von Widerstand scheitert an der Haltung seiner Mitbürger und seiner Selbstaufgabe, die in seiner Körperhaltung und Mimik den entsprechenden Ausdruck finden.

Dass der Scheck über eine Milliarde für den Tod Ills Wirkung zeigt, ersehen wir aus den allmählichen Wandlungen von Bürgermeister (sehr intensiv gestaltet von Clemens Wolkerstorfer vom anfänglichen Hochhalten des humanistischen Geistes bis zur entwürdigenden Gier nach dem Scheck), Pfarrer (Maurizio Revertera als Windfähnchen der Meinungen), Lehrer (stark in der Abschiedsrede Eva Prechtl) sowie Arzt (Marisa Kainberger) und Polizist (Jonas Leibetseder). Auch die übrigen TeilnehmerInnen des Ensembles tragen zum stimmigen Gesamteindruck bei.

Der Scheck ist überreicht und ein Schlusschor (im Sinne der antiken Tragödie) preist das heilige Gut des Wohlstandes. Wobei das chorische Sprechen als ein Highlight hervorgehoben werden muss. Tragödie mit dem Augenzwinkern ist die große Kunst.

 

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